Besinnung und Begegnung
In der Gemeinde ist für viele Platz
Lieben sie auch das Meer und lange Strandspaziergänge zu allen Jahreszeiten?
Egal ob Florida im Januar, Marina di Pietrasanta im Mai, Rügen im September oder Cuxhaven im Dezember: immer tut es mir gut, ordnet meine Gedanken im Kopf und meine Flugzeuge im Bauch, lässt kreativen Ideen für meine Arbeit in den Gemeinden im Dekanat Zehlendorf entstehen.
Immer sieht das Meer anders aus, immer gibt es viel zu sehen und zu sammeln wie Strandgut, Holz für den Kamin, Bernstein oder Muscheln. Es gibt sehr verschiedene Muscheln. Sie haben eine weite Reise im Meer hinter sich, sind uralt und gezeichnet vom Wasser und der entsprechenden Verschmutzung. Am meisten fasziniert mich bei den Muscheln die mit dem schneckenförmigen Gehäuse. Oben hat sie eine ganz weite Öffnung. Ich kann mit dem Finger hineingehen in die kleine „Wendeltreppe“ und versuchen ganz unten anzukommen. Innen ist die Fläche ganz weiß und glatt, außen rauh, von vielen Linien durchzogen, die alle unten in einer Spitze – kaum größer als ein Stecknadelkopf – zusammenkommen. Oder wenn man den Blickwinkel verändert: von diesem Stecknadelkopf an der einen Seite der Schneckenmuschel geht alles aus, öffnet sich die Muschel und wird ganz weit. Diese Schnecke ist für mich zum Bild der Gemeinde geworden, zum Bild meiner pastoralen Arbeit in der Gemeinde und im Dekanat.
Ich möchte es deutlich machen an den beiden Polen einer Gemeinde und an den verschiedenen Gruppen, die ich leite, begleite, unterstütze:
Es gibt viele Bilder für die Gemeinde und für das, was sie sein könnte, sollte und müßte. Für mich ist Gemeinde ein Ort, der geprägt ist von Besinnung und Begegnung. Das sind die beiden Pole, zwischen denen sich die Menschen, die hierher kommen, bewegen. Mal steht die Begegnung im Vordergrund: Menschen kommen zusammen in der Gemeinde, um Freunde und Bekannte zu treffen, um zu feiern. Man steht nach dem Gottesdienst zusammen, beim Frühschoppen redet man miteinander, lacht und trägt auch die Sorgen des Anderen ein Stück mit.
Mal liegt der Schwerpunkt auf Besinnung bei den festlichen Gottesdiensten an den Hochfesten, bei der schlichten Gestaltung der Frühkirche, bei den thematischen Abenden. Besinnung und Begegnung – beides brauche ich in meinem Leben und beides braucht eine Gemeinde, damit sie als Gemeinde Jesu Christi im Jahr 2000 lebendig und glaubwürdig ist.
Die Schnecke – ein Bild für Gemeinde:
die weite Öffnung der Schnecke steht für Begegnung und der kleine Punkt, die Spitze, steht für Besinnung.
In dieser weiten Öffnung, in der Begegnung, geschieht erstes Kennenlernen, langsames Herantasten nach manchmal jahrelanger Distanz zu Kirche, Gemeinde und Glauben, gegenseitiges Wahrnehmen und vorsichtige Kontaktaufnahme z. B. für die Neu-Berliner und Neuzugezogenen. In dieser weiten Öffnung treffen sich aber auch viele Gruppen regelmäßig, die für sich und / oder für andere etwas tun. Die Mitglieder in diesen Gruppen und Kreisen wissen ihr Leben getragen und geborgen von dem dreifaltigen Gott, der die Menschen liebt vor aller Leistung und trotz aller Schuld. Dieser gemeinsame Glaube hat sie in der Gemeinde zusammen geführt, er ist für viele die Grundlage ihres Lebens – im Bild der Schnecke: der Konzentrationspunkt, die kleine Spitze.
In der weiten Öffnung ist Platz für:
- Frauen, die gemeinsame Wochenenden in der Umgebung von Berlin oder im Ausland verbringen, aus ihrem Alltag aussteigen, sich Zeit nehmen für lange Spaziergänge, Gespräche und geistige und geistliche Impulse.
- Frauen, die sich einmal im Monat mit inhaltlichen Fragen auseinandersetzen wollen und an der Gestaltung von meditativen Abendgebeten und Gottesdiensten in der Advents- und Fastenzeit interessiert sind.
- Jugendliche, denen das Zusammensein mit Kindern Spaß macht, die eine Gruppe leiten, lernen, eigenverantwortlich etwas auf die Beine zu stellen, und so an ihren Schwächen arbeiten und ihre Stärken festigen können.
- Jugendliche, die sich im Bereich Caritas engagieren, einmal pro Woche zu älteren – meist dementen – Menschen ins Heim gehen und mit ihnen spielen, singen, erzählen.
- Jugendliche, die in der Gruppe mit Gleichaltrigen gemeinsame Freizeitgestaltung wie Kickern, Billard, Tischtennis, Computer, Party, Video, Fahrten und Wochenendtouren suchen.
- Jugendliche, die sich intensiver mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen wollen in der Firmvorbereitung, die Gottesdienste für Jugendliche und die Sonntagsgemeinde vorbereiten, die regelmäßig ihren Ministrantendienst versehen.
- die Jungen Erwachsenen, die Mitte der neunziger Jahre als GruppenleiterInnen die Kinder- und Jugendseelsorge in St. Otto entscheidend mitgeprägt haben. Sie fühlen sich mit der Gemeinde weiterhin verbunden und dort beheimatet.
- die älteren Senioren ab 80 Jahren, die das Gemeindeleben über Jahrzehnte getragen haben mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und Engagement, mit ihrer Mithilfe im Verborgenen und ihren Spenden, den Gebeten und der treuen Teilnahme an den Gottesdiensten. Sie genießen im Sommer zwei Wochen lang das Gemeindehaus, den Garten und die Kirche im Rahmen der Seniorenerholung.
- Familien, die miteinander einmal im Jahr verreisen, in Morgenrunden und Abendmeditationen über Glaubens- und Lebensthemen nachdenken und ins Gespräch kommen, gemeinsame Ausflüge planen und organisieren, abends zusammen sitzen, lachen und die Gemeinschaft in der Spanne vom Kindergartenkind bis zur 70jährigen Großmutter schätzen.
- die Jung-Senioren „60 plus“, die an Berlin und dem Umland, zeitgeschichtlichen Fragen und an Kultur interessiert sind, sie sind mindestens einmal im Monat „auf Achse“.
Die Schnecke – ein Bild für die Gemeinde. In der weiten Öffnung kann Begegnung mit anderen geschehen, in der stecknadelgroßen Spitze besteht die Möglichkeit für die Begegnung mit Gott, für die Besinnung.
Haben Sie ihren Platz in unserer Schnecke schon gefunden? – In unserer St. Otto-Schnecke ist für Viele Platz.
Jutta Blümel